Ich möchte hier die Zusammenfassung eines Artikels mit Ihnen teilen, der mich zum Nachdenken angeregt hat. Es geht um tiefer gehende Marketing- und Geschäftsgedanken. Den originalen Artikel (in Englisch) der Autoren Omar Rodríguez-Vilá, Sundar Bharadwaj, Neil A. Morgan, Shubu Mitra finden Sie hier.
Ich verwende in meinem Text vermehrt englische Marketingbegriffe, da eine direkte Übersetzung ins Deutsche oft nicht treffend genug oder wenig selbsterklärend ist.
Die Autoren des Artikels stellen heraus, dass das Marketing noch nie so komplex war wie heute. Unternehmen müssen sich, stärker denn je, auch den aktuellen gesellschaftlichen und sozialen Fragen stellen, wie Covid-19, Black Lives Matter-Bewegung, der Klimakrise.
Es wurden 493 Unternehmen befragt und 125 Interviews mit Marketingleitern geführt, um zu verstehen, wie Unternehmen sich heute im Marketing aufstellen. Die meisten investieren in Marketingaktivitäten und -technologien, um zu wachsen. Viele ihrer Bemühungen das Marketing zu transformieren, werden jedoch durch fehlende Strategie erschwert.
Die Autoren entwickelten 72 Marketing Möglichkeiten und Fähigkeiten, die nötig sind, um marketing value zu schaffen. Diese finden Sie hier in den PDFs: „Value for the Customer“ und „Value for the Company“.
Sie fanden heraus, dass Marketingleiter bei ihrer Marketing-Transformation drei Hauptprobleme haben:
- Marketer betrachten die Transformation als Übung, um Marketing-Tools umzurüsten oder Strukturen umzuformen, anstatt zu überlegen, wie eine sich verändernde Umgebung neue Werte schaffen kann.
- Sie transformieren ihr Marketing z.B. von brand zu performance marketing. Das birgt jedoch die Gefahr, Synergien des bisherigen Marketings zu verlieren, die Kundenorientierung zu vernachlässigen.
- Marketingleiter betrachten Modernisierungen oft nicht ganzheitlich. Verschiedene Gruppen (Abteilungen) verfolgen möglicherweise unterschiedliche Veränderungsinitiativen und fragmentieren so die Wertschöpfungskette.
Es wurde ein Framework erarbeitet, das auf 6 Werten basiert:
Value for the Customer: Engagement – Experience – Exchange
Value for the Company: Knowledge – Strategic – Operational
Hinter diesen Werten, oder man könnte auch sagen „Marketing-Headlines“, liegt das, was das Marketing eines Unternehmens ausmacht. Es tut gut, sich diese klar zu machen, auch wenn wir tagtäglich damit umgehen und wir sie manchmal als leere Buzzwords empfinden.
Engagement value.
Bei engagement value geht es darum, wie ein Kunde die Marke empfindet und welche Beziehung er zu dem Produkt und dem Unternehmen hat. Die Maßnahmen sind eine Kombination aus Storytelling, PR und dynamischem Content-Management.
Experience value.
Customer experience heißt, eine durchgehende Zufriedenheit innerhalb der customer journey zu schaffen. Wichtige Schlagworte in diesem Zusammenhang sind journey orchestration, value augmentation und offering design, um konstant innovativ sein zu können.
Exchange value.
Exchange value wird geschaffen, wenn Marketers ihr Angebot effektiv mit den Bedürfnissen des Kunden zusammenbringen. Sie brauchen dazu: conversion, personalization und prediction.
Strategic value.
Marketingteams suchen häufig nach Möglichkeiten, um aktuelle Angebote zu erweitern. Sie wollen Wachstum entdecken, Plattformen aufbauen und Vermögenswerte nutzen. Schlüsselbegriffe sind: portfolio strategy, platform management, value proposition design, risk management.
Operational value.
Noch nie war es so wichtig wie heute, dass das Marketing die operativen Maßnahmen des Unternehmens stärkt. Die Teams sind spezialisiert, agieren oft unabhängig und wenden unterschiedliche Methoden an. Der Schlüssel liegt im Talentmanagement, um fachliche und menschliche Beziehungen zu verbessern und gleichzeitig Technologien zu stärken. Klare Marketing-Prinzipien (gemeinsame Sprache, Rahmenbedingungen, relevante Kennzahlen, flexible Entscheidungsprozesse u.ä.) sind hilfreich. Gleichzeitig fördern Sie eine Organisationskultur, die sich auf Kundenbedürfnisse konzentriert. Zu diesem Zweck kann der Key Behavioural Indicator (KBIs) eingeführt werden, um zu sehen wie z.B. das Verhältnis von zwischenmenschlichem Vertrauen zu Transparenz ist. Wenn der KBI sinkt, sinkt auch der KPI (Key Performance Indicator). Das führt z.B. zu einem langsameren Agieren am Markt.
Knowledge value.
Dieser Punkt erscheint mir aus meinem eigenen Marketingalltag und im Austausch mit Marketingmanagern am greifbarsten. Die meiste Zeit und das größte Investment insgesamt fließt in den cleveren Einsatz von Data Science. Neue Technologien sollen die Marketingeffizienz verbessern, Marktsignale erfassen, Innovation fördern. Schlagworte sind: buyers insights management, marketing performance evaluation, brand valuation, data generation, data quality, privacy & security.
Betrachten Sie diese sechs Werte für Ihr Unternehmen in Ruhe. Sie werden schärfer sehen, wo Ihr Markting heute steht und welche Potenziale noch schlummern, um Umsatz und Wachstum zu steigern. Es ist nicht anstrebenswert, in allen Bereichen sehr gut sein zu wollen. Ich denke das ist gar nicht möglich. Aber es lohnt sich, die beiden PDFs genauer anzusehen und die Übung zu machen, um die 72 Möglichkeiten Ihres Marketings zu evaluieren und zu bewerten. So können Sie am Markt gefestigt vorgehen.
Eine wichtige Erkenntnis war, dass ich in meiner eigenen Vergangenheit im Unternehmen durch große Projekte, wie Softwareeinführungen und -erweiterungen, sehr fokussiert auf eben genau dieses Thema war. Dass z.B. das Kampagnenmanagement-System läuft, dass die Newsletter-Bounces endlich im CRM automatisch synchronisieren u.ä.
Gleiches beobachte ich bei meinen Kunden. Es wird beschlossen, dass z.B. Leadgenerierung forciert werden soll und zwar mit allem was dazu gehört: neuer Marketing Automation Software, Kundenansprache, Einbinden des Vertriebs etc. Das ist alles gut und richtig!
Jedoch kann es leicht passieren, dass sich fast alle Gedanken nur noch um „das“ Thema drehen. Die Balance im Marketing zu halten, welche Werte in welchem Ausmaß für das Unternehmensmarketing wichtig sind, ist nicht immer bewusst. Wenn es insgesamt gut läuft, liegt das daran, dass die bestehenden Strukturen und Alltagsaufgaben neben dem großen, aktuellen Projekt, gut funktionieren und die Unternehmenskultur dies trägt.
Ihre Aufgabe als Marketingleiter/in ist es, sich über alle Werte mit ihren verschiedenen Schwerpunkten klar zu sein und diese mit Ihren Mitarbeitern zu teilen. Sie können sachlich deutlich machen, was Sie tatsächlich von z.B. dem neuem E-Mail-Marketing Konzept inkl. neuer Software erwarten, sprich welchen Mehrwert der Kunde UND das Unternehmen haben soll. Gleichzeitig können Sie aber auch zeigen, dass E-Mail-Marketing nicht alles ist, sondern die vielen anderen Marketingaufgaben unverzichtbar und wichtig für den Markterfolg sind. Das nimmt zum einen den Druck aus großen Projekten – besonders wenn sie teuer sind und viel interne visibility haben. Auf der anderen Seite werden Mitarbeiter, die nicht im Projekt involviert sind, gewertschätzt.
Gerne unterstütze ich Sie bei der Übung! Rufen Sie mich an unter 0151/11634140 oder schreiben Sie mir an se@digital-designmanagement.com.